Tag 19-23 / 03.-07.05.2013

Um 14 Uhr am Bahnhof in Peking angekommen, verabreden wir
uns mit unserer Reisegruppe zu einem freiwilligen letzten gemeinsamen Abend
bevor wir uns von allen verabschieden. Ab jetzt geht jeder seiner eigenen
Reiseroute nach. Wir haben für unsere
Zeit in Peking bereits ein Hostel gebucht. Dave, der noch nicht weiß, wo er
schlafen soll, kommt mit uns und versucht sein Glück in unserem Hostel. Wir
freuen uns.

Raus aus dem Bahnhof für die Fernzüge, der erste kleinere
Kulturschock… Wir stehen auf einem großen Platz und mit uns gemeinsam so
unglaublich viele Menschen. Wir drei schauen uns um und lassen dieses laute
Chaos erst mal auf uns wirken. Irgendwie
finden wir es cool, auch wenn im ersten Moment keiner von uns etwas sagen kann.
Wir schauen uns an und lachen. Bei dem Versuch uns zu orientieren, erkennen wir schließlich
die Verkaufsstellen für die Metro-Fahrkarten. Wir stellen uns an den mind. 50m
langen (!) Schlangen an. Wahnsinn. Aber
es geht schnell voran. Wir kaufen 3 Fahrkarten für umgerechnet ca. 75 Cent. Kaum
zu glauben, dass jeder von uns für 25 Cent Metro fährt…

Um auf den Bahnsteig zu kommen, passiert man eine Sicherheitskontrolle.
Wir glauben zunächst, dass die Sicherheitskontrollen da sind, weil wir an einem
größeren Bahnhof angekommen sind. Später stellen wir fest, dass an allen
Metrostationen Sicherheitskontrollen durchgeführt werden. Also sobald man einen
Rucksack dabei hat, muss man diesen abnehmen und wie am Flughafen scannen
lassen. Unsere erste Metrofahrt ist ein kleines Erlebnis. Wie schon
festgestellt, gibt es eine Menge Chinesen. Und die wollen auch Metro fahren.
Sobald die Metro hält und sich die Türen öffnen, stürzen sich alle auf die
Eingänge. Schubsen, drängeln, anrempeln, quetschen – alles scheint völlig
normal zu sein. Während wir höflich jedem Menschen, den wir, dem allgemeinen
Massendrängen bedingt, anrempeln immer ein „sorry“ entgegen bringen, scheint niemand
um uns herum Wert drauf zu legen. Erste Lektion in China gelernt: Schubsen ist
nicht unhöflich. 🙂

Mit Hilfe von Wegbeschreibung und Kompass (es wird zum Running Gag, dass wir ständig gut vorbereitet sind, “you organised Germans!”)
finden wir den Weg zu unserem Hostel „Lucky Family“. Es liegt etwas abseits vom
Trubel in einer Seitenstraße inmitten von normalen Wohnhäusern – keine
Touristengegend. Uns wird unser 4-Bett-Zimmer mit eigenem Badezimmer gezeigt.
Dave wird in unserem Zimmer einquartiert, dass wir bis auf eine Nacht für uns
drei allein haben. Perfekt.

Nach einer kleinen Erholungsphase und einer Dusche, machen
wir uns auf den Weg, um etwas zu essen. Wir laufen ein bisschen in den Gassen in
der Nähe unseres Hostels herum und landen in einem ziemlich großen Restaurant,
das voll ist. Das Essen muss also gut sein. Glücklicherweise haben die Speisekarten
viele Bilder und alles ist auf Englisch übersetzt. Wir unter anderem Muscheln – auf der Speisekarte mit einer Chilischote
gekennzeichnet. Sollte in Ordnung gehen, es gibt Gerichte mit bis zu drei Chilischoten…
Die Muscheln werden in einer Bratschale mit Unmengen an Chili, dazwischen Knoblauch
und etwas Grünem, was wir nicht kennen, serviert. Unser erster Gedanke: wer kann diese Menge an
Chili essen? Na ja, vielleicht sind die Schoten ja milde Chilischoten…
Nach dem ersten Bissen, wissen wir, sie sind es nicht. Schnell fangen wir an zu
schwitzen, spülen mit viel Bier/Cola nach und trotzdem bekommen wir unsere Portion
nicht aufgegessen. Wir schauen uns um, was die Einheimischen tun. Sie lassen
die Chilischoten und die Soße übrig. Alles klar, machen wir auch. Zweite
Lektion in China: Wenn irgendwo spicy dran steht, dann ist es spicy. Als wir das
Restaurant verlassen, stehen die Leute Schlange, um hinein zu kommen. Sie haben
Wartenummern und warten bis sie aufgerufen werden. Scheint als wären wir in
einem richtig guten Restaurant gewesen. Yes! 🙂

Am nächsten Tag haben wir uns vorgenommen den Sommerpalast
zu besuchen. Der Sommerpalast ist eine Art riesiger Garten, vielleicht eher ein
Park, relativ hüglig, inklusive See und mehreren Pavillons/Palästen. Die
früheren Kaiser nutzen den Sommerpalast, um dort die schwülen Sommermonate zu
verbringen. Unser Fazit: auf jeden Fall sehenswert. Wenn es nicht so viele Besucher gäbe, wäre das
sogar ein guter Ort, um zu entspannen. Gerade, wenn man die Berge herauf geht,
hat man immer wieder tolle Aussichtspunkte, von denen man sowohl auf das
Gelände des Sommerpalastes als auch auf Peking schauen kann. Etwas störend
dabei ist allerding der Smog. Teilweise kann man leider nicht wirklich weit
gucken.

Abends waren wir zusammen mit Dave im Silk Market. Ein großes
Einkaufzentrum über mehrere Etagen, in dem man laut Daves Reiseführer
qualitativ hochwertige gefälschte Markenkleidung kaufen kann. Qualitativ
hochwertige Fälschungen also? Klingt nach einem Widerspruch. Wir sind
neugierig. Es stellt sich heraus, dass man an diesem Ort alles Mögliche kaufen
kann. Von Kleidung, über Accessoires , Schmuck, Souvenirs, Stoffe bis hin zu
Koffern, Taschen, Spielzeuge, Möbel… Aus
jedem der kleinen Geschäfte, die auf jeder Etage aneinander gereiht sind, hört
man… “Come in, sir“, „ I’ll make you a good price.”, “Good
quality, sir, good quality.” Wir sind überrascht, dass die Chinesen hier
relativ gutes Englisch sprechen. Normalerweise mühen wir uns ab und
kommunizieren mit Händen und Füßen. Wir waren in einigen Geschäften, ohne
wirklich etwas kaufen zu wollen, nur um ein bisschen aus Spaß zu handeln und zu
testen, wie weit die Verkäufer mit dem Preis runter gehen. 🙂

Anschließend waren wir in einem tibetischen Restaurant essen,
ebenfalls eine Empfehlung aus Daves Reiseführer. Es war nicht ganz leicht den
Weg zu finden. Wir lernen an diesem Tag die dritte Lektion für China: Wenn du
einen Chinesen nach dem Weg fragst, wird er nie zugeben, dass er den Weg nicht
kennt und dich einfach irgendwohin schicken. Wir haben an diesem Abend
insgesamt 7 Menschen nach dem Weg gefragt, davon hat uns eine Person in die richtige Richtung geschickt. Die letzte
Person, ein Mitarbeiter eines Hotels, hat uns schließlich das Hotel-Wifi nutzen
lassen, sodass wir mit Hilfe von google maps den Weg gefunden haben. Doch die Sucherei nach dem Restaurant
hat sich gelohnt; wir haben unter
anderem Yak probiert – lecker.

Den Tag darauf haben wir dazu genutzt, uns die Verbotene
Stadt anzuschauen. Der Sommerpalast war schon voll, aber hier war es richtig
voll. In der Verbotenen Stadt lebten früher die Kaiser Chinas. Der „normalen“
Bevölkerung war der Eintritt verwehrt, daher der Name. Die Fläche der
“Stadt” ist ziemlich groß (später gegoogelt: ca. 720.000m²),
innerhalb der Mauern befinden sich unzählige Paläste und Pavillons. Am Anfang
waren wir ziemlich beeindruckt, aber nach ca. einer Stunde hatten wir das Gefühl,
dass alles gleich aussieht… Irgendwie haben wir uns deswegen schon fast schlecht
gefühlt…

Abends haben wir uns, wie verabredet, mit unserer Vodkatrain-Gruppe
getroffen. Wir waren essen und haben anschließend den Nachtmarkt besucht. Der
Geruch war teilweise etwas unangenehm, aber die Atmosphäre irgendwie cool und
eklig zugleich… Wer experimentierfreudig ist, kann sich hier austoben:
Insekten, Spinnen, Schlangen, Seesterne, Schnecken am Spieß, alles dabei. Dave
war der Mutigste von uns und hat eine Spinne probiert. Einen Bissen hat er halb
runter bekommen, den Rest ausgespuckt. Er meint, der anfängliche Geschmack war
gar nicht so schlimm, aber der Nachgeschmack ist furchtbar. Wir sprechen ihm
unsere Anerkennung für seinen Mut aus und gehen auf Nummer sicher: wir probieren
frittiertes Eis und frittierte Bananen, Tintenfische am Spieß, dann haben wir
genug. Wir lassen den Abend in einem Café ausklingen.

Am nächsten Morgen bin ich aufgeregt! Wir wollen zur
Chinesischen Mauer fahren; die will ich unbedingt sehen. An jeder Ecke in Peking werden (unseriöse?) Touren dahin angeboten, im
Schnitt für umgerechnet ca. 20€ bis 45€. Es gibt auch offizielle Tourbusse, die
für umgerechnet ca. 1,50 € zur Mauer fahren. Allerdings haben wir gelesen, dass
es sehr schwer ist, die offizielle Bushaltestelle zu finden, weil sich einfach
hunderte Busse mit der gleichen Nummer in
die gleiche Straße stellen. Ohne ein Wort chinesisch zu sprechen, soll es so
gut wie unmöglich sein, herauszufinden, welcher der richtige offizielle Bus ist.
Na toll… Google verrät uns aber auch, dass es einen Zug gibt, der zur Mauer
fährt. Den wollen wir heute Morgen nehmen, also ab zum Bahnhof; Dave begleitet
uns. Wir kaufen für eine Strecke von ca. 65 km jeweils ein Ticket für 6 RMB,
das sind ca. 75 Cent… Unglaublich! Da kann sich Deutsche Bahn eine Scheibe
abschneiden.

An der Station „Badaling“ angekommen, folgen wir einfach der
Menschenmenge. Nach ca. einem Kilometer Fußmarsch stehen wir vor der Mauer. Wir
sind von Anfang an beeindruckt. Wir laufen einen Teil der Mauer herauf und wieder
runter, es ist ziemlich hügelig, was bei der Hitze und der Menschenmenge wirklich
anstrengend ist. Einige Teilabschnitte sind sehr steil und haben keine Stufen.
Andy und ich wundern uns, wie die Chinesen hier mit Flip Flops und HighHeels
unterwegs sein können. Wir sind froh, dass wir heute unsere Chucks gegen Wanderschuhe
ausgetauscht haben. Nach einer Weile beginne ich Dave dafür zu hassen, dass er
vor kurzem Marathon gelaufen ist und mit einer vermeintlichen Leichtigkeit
einen großen Vorsprung zu uns aufbaut – Dave, I still hate you. 🙂 Als wir uns
satt gesehen haben, starten wir den Rückweg. Wir gönnen uns für den Weg runter
ein sliding car.

Wieder zurück in Peking, gehen wir zu einer Kung Fu Show.
Die Show war eine Art Musical, nur dass es anstelle von Gesang Kung Fu gab. Wir
hatten weniger Schauspielerei und mehr Kung Fu erwartet, deswegen waren wie im
Endeffekt etwas enttäuscht, auch wenn die Kung Fu Einlagen beeindruckend
waren.

Am nächsten Tag endet bereits unser Aufenthalt in Peking.
Wir fahren mit dem Zug nach Shanghai. Wir sind etwas spät dran, als wir morgens
das Hostel verlassen, deswegen ziemlich in Eile. Wir haben die Menschenmengen
der morgendlichen Metro-Rush Hour unterschätzt…
Rush Hour bedeutet, dass die Leute noch mehr als sonst drängeln, schubsen, anrempeln. Als
wir in die erste Metro einsteigen, quetscht sich in letzter Sekunde ein kleine,
alte Chinesin in die Bahn, drückt Andy nach hinten, der deswegen gegen mich
fällt, was wiederum dazu führt, dass ich fast über einen Koffer, der im Gang steht, falle. Andy kann sich gerad noch an einer der Stangen festhalten und zieht mich hoch. Vielen Dank, Frau Chinesin. -.- Wir sind etwas
überfordert mit der Situation. 🙂 Eigentlich hatten wir uns an dieses Gedrängel gewöhnt. Aber in „Stressmomenten“, fällt man in seine routinierten (deutschen) Muster
zurück und das war an dieser Stelle: Anrempeln ist unhöflich. Und sich nicht zu
entschuldigen ist noch unhöflicher! Ich war kurze Zeit in Versuchung die alte
Frau an der nächsten Haltestelle aus der Metro zu schubsen. 🙂 Habe dann aber an
einen Rat gedacht, der mir vor Abreise gegeben wurde: Es wird nicht alles so
organisiert und strukturiert ablaufen, wie wir es von zu Hause gewohnt sind.
Und wenn das der Fall ist, dann einfach entspannt bleiben und chillen. Guter
Rat… 🙂 Im Endeffekt haben wir tatsächlich den Zug nach Shanghai verpasst, den wir
nehmen wollten und “mussten” dann den etwas teureren HighSpeed Zug
nehmen.

SP