Tag 79-80 / 02.07.-03.07.2013
Ein beschwerlicher Weg hier her. Dann wollen wir mal sehen,
was Varanasi zu bieten hat. Raus aus dem Bahnhof und ab zum Prepaid Taxi Stand.
Dort gibt man an, wo man hin will und bekommt dann einen Taxifahrer vermittelt,
der einen bis zum Ziel fährt. Bezahlt wird vorher an einen Vermittler, der
dafür sorgt, dass man wirklich am Ziel ankommt und nicht zu viel bezahlt. Auf
dem Weg zu dem Taxi Stand ignorieren wir alle Inder, die uns anquatschen und
überlegen, ob wir eine Autorickshaw nehmen sollen, statt eines Taxis. Klingt
nicht schlecht, kostet schließlich die Hälfte und ist meistens schneller auf
kurzen Strecken. Am Prepaid Autorickshaw Stand werden wir von einem Fahrer
angesprochen, der uns sagt, er fährt uns und wir müssen keine Kommission an den
Prepaid Stand zahlen. Auf den Deal lassen wir uns ein. Natürlich erst nach 5
Minuten diskutieren mit dem Fahrer – wie immer. Seine Autorickshaw ist
zugeparkt, also helfe ich ihm die anderen weg zuschieben und ihm den Weg frei
zu machen. Wir packen unsere Rucksäcke ein und los geht es. Wir wollen zu den
Ghats (Link) am Ganges. Dort gibt es Hotels en masse. Wir haben zwar schon zwei
im Auge, haben aber nicht vorher gebucht, weil wir uns die Hotels erst mal live
ansehen wollten. Die Fotos im Internet sahen nämlich schon ziemlich schäbig
aus.
Wie wir bereits wissen, kann uns der Rickshaw Fahrer nur bis
zu einem bestimmten Punkt fahren. Den letzten knappen Kilometer müssen wir zu Fuß
gehen, weil dort ein Rickshaw- und Autoverbot herrscht. Der Fahrer scheint nett
zu sein. Der aufmerksame Leser merkt jetzt schon, dass diese Fahrt nicht ganz
so gut endet. Der Fahrer lässt uns gut 800 Meter vor der eigentlichen Rickshaw
Sperre raus. Leider an einem Punkt, wo viele Rickshaws wenden und warten,
sodass wir nicht daran gezweifelt haben, dass er nicht weiter fahren darf. Kaum
haben wir unsere Rucksäcke aufgesetzt und bezahlt, sehen wir, dass er uns zu
früh raus gelassen hat… Leider zu spät. Wir gehen also gut 1,7 Kilometer zu Fuß
mit unseren Rucksäcken bis wir an den Ghats ankommen. Jetzt heißt es, Hotel
finden. Laut Google Maps müsste es eigentlich nach links gehen… hmmm… die blöde
Monsunzeit führt dazu, dass der Weg geflutet ist. Aber uns hilft ein „netter“
Inder weiter. Er hat uns schon vorher versucht sein Hotel anzudrehen – wir
hatten ihn erfolgreich ignoriert. Als wir ihm gesagt haben, welches Hotel wir
suchen, schlägt er uns vor, es uns zu zeigen. Er sagt uns, dass wir in sein
Hotel können, falls wir mit den anderen nicht zufrieden sind. Wir gehen ihm
also hinterher und umkurven einige Kühe in den engen Gassen Varanasis. Wir sind
skeptisch, aber laut Google Maps könnte es passen, was er sagt. Und tatsächlich
kommen wir am Hotel Alka an. Durchgeschwitzt und erschöpft. Wir sehen uns die
Räume an und sie sind, naja, so wie auf den Fotos…
Auch wenn wir erschöpft sind, schauen wir uns noch das
andere Hotel an, dass wir rausgesucht hatten. Es ist direkt nebenan. Auch dort
sieht es wie auf den Fotos aus. Ich frage unseren „netten“ Inder, wo sein Hotel
ist. Er sagt, es sind nur 5 Minuten. Es stellte sich heraus, dass es 5 Tiger
Minuten sind… Komplett durchgeschwitzt kommen wir in
seinem Hotel an und sehen uns seine Räume an. Sie erinnern an Gefängniszellen
und wir entschließen uns zurück zu gehen. Er fragt uns, ob uns sein Hotel nicht
gefällt? Ähhhm, Hotel? Ein kurzes „Doch es ist sehr schön, aber ein wenig weit
weg von der Straße“, hilft, wenn man es oft genug wiederholt. Wir gehen also
zurück durch das Labyrinth und auch wenn wir sein Hotel nicht nehmen, hilft er
uns zurück. Vielleicht ist er nicht nur ein „netter“ Inder sondern tatsächlich
ein netter Inder.
Wir entscheiden uns also für das Hotel Alka. Es ist gammlig,
aber es hat gute Bewertungen auf Tripadvisor und wir sind einfach nur noch
kaputt. Duschen, Kleidung wechseln, beschweren, dass die internationalen
Fernsehsender nicht funktionieren und mental auf den Tag vorbereiten. Was
wollen wir eigentlich hier? Wir wollen sehen, was diese für Hindus heilige
Stadt eigentlich zu bieten hat. Unter anderem die Ghats, an denen die
Verstorbenen verbrannt und in den Ganges geworfen werden. Genau genommen wird
die Asche in den Ganges geworfen und die Teile, die nicht komplett verbrennen.
Diese sind überwiegend Knochen des Rumpfes. Die Aufgabe die Leiche anzuzünden
und die Teile in den Ganges zu werfen, übernimmt der nächste älteste Nachfahre.
Aber nicht alle werden verbrannt: Kinder, Schwangere, Priester und Kranke
werden nicht verbrannt, sondern eingewickelt, mit Steinen beschwert und in der
Mitte des Ganges von einem Boot geschmissen. All das erfahren wir von einem
Aufseher (so hat er sich vorgestellt, wir glauben im Nachhinein, dass es ein obdachloser
Trinker war), als wir zu einem der Burning Ghats gehen, dem Haupt-Burning Gath
Manikarnika. Er führt uns direkt zu der Plattform, auf der 24 Stunden am Tag an
diesem Ghat 200-300 Menschen verbrannt werden. Wir stehen für einige Zeit
direkt neben den brennenden Holzhaufen unter denen Leichen liegen. Merkwürdiges
Gefühl. Für jede Leiche werden ca. 300 Kilogramm Holz benötigt. Daher bittet
uns der Aufseher darum, eine Spende in Kilogramm Holz zu leisten. Wieder muss
man verhandeln und sich rauswinden und am Ende so wenig wie möglich in seine
Hand drücken. 1 kg oder so ähnlich haben wir gespendet. In Ruppies sind das ca.
200 Ruppies (2,40 Euro). Kaum hat er die Kohle, ist er weg. Aber er hat uns
einiges erzählt, daher ist es „okay“…
Wir entschließen uns noch kurz aus der Distanz zu gucken,
was hier passiert. Eingewickelte Leichen stehen bereit, die Schlange ist lang.
Hindus aus ganz Indien werden hier her gebracht, um am Ganges verbrannt zu
werden. Alte und/oder kranke Menschen reisen kurz vor Ihrem Tod nach Varanasi,
um hier zu sterben. Diese Menschen sieht man zuhauf in den Gassen Varanasis.
Alte Menschen, die auf der Straße sitzen, schlafen, wohnen und auf ihren Tod
warten… Als wir den Ghat verlassen
wollen, kommt der Nächste auf uns zu und will Geld. Ich verweigere und erkläre,
dass ich bereits gespendet habe. Er wird aggressiv, wir bleiben standhaft,
sagen ihm, dass wir nichts mehr geben und gehen. Einfach nur anstrengend… Das
ist ein Ort, an dem Menschen ihre letzte Ruhe finden sollen und die machen ein
Geschäft daraus. Das ist einfach schwer nachvollziehbar. Schwer nachvollziehbar
ist auch, dass in diesem Fluss, in dem sich Leichen, Asche und verkohlte Knochen
befinden, die Leute nicht nur die
Kleidung und das Geschirr waschen, sondern auch sich selber – ja, sogar die
Zähne.
Überzeugen können wir uns davon am nächsten Morgen, als wir
zum Sonnenaufgang (5 Uhr morgens) mit einem Boot auf dem Ganges schippern. Das
Wasser des Ganges befreit sie dem Glauben nach von ihren Sünden. Die
Bootsfahrer/Ruderer erklären uns noch ein wenig zum Ganges und zu den
Verbrennungen. Wir sehen neben der morgendlichen Prozedur des Zähneputzens,
Rasierens und Waschens auch ein totes Schwein den Ganges hinunter treiben.
Irgendwie ist das alles surreal! Irgendjemand muss denen mal sagen, dass das
nicht gesund ist… Wir wundern uns, dass hier keine Seuche ausbricht. Wie wir
bereits bei unserer Ankunft gesehen haben, ist der Wasserstand des Ganges ein
wenig höher während der Monsunzeit. Wobei „ein wenig“ laut unseren Ruderjungs
bis zu 10 Meter sind. Das heißt, wenn der Wasserstand nach der Monsunzeit
wieder sinkt, dann ist es laut den Jungs nicht ungewöhnlich, dass man Leichen
am Flussufer sieht, die von der Strömung dorthin gespült wurden. Wenn sich die
Steine an der Leiche lösen, dann sieht man wohl auch Menschen an der
Wasseroberfläche treiben. Wir sehen, dass nur die Dächer einiger Tempel aus dem
Wasser ragen und einige Etagen von Wohnhäusern geflutet sind. Beeindruckend
ist, wie die Jungs gegen die Strömung rudern – ziemlich gutes Training. Dafür
haben sie sich die Kohle verdient. Auch, wenn sie uns zu Beginn abziehen
wollten. Auch da war wieder verhandeln angesagt. Wobei die Verhandlung so weit
ging, dass wir einfach weg gegangen sind. Immer wieder solche Umstände – es
nervt. Nach der Bootstour gehen wir zurück ins Hotel und machen erst mal ein
Nickerchen, immerhin sind wir um 5 Uhr aufgestanden, um den Sonnenaufgang im
Boot auf dem dreckigen Ganges zu genießen. Was tun wir hier eigentlich?
Unser Nickerchen hat ein wenig länger gedauert, sodass wir erst
kurz vor der Check-out aufgewacht sind.
Wir haben unsere Rucksäcke schnell gepackt und 5 vor 12 wurden wir schon dazu gedrängt
uns zu beeilen. Nach einem weiteren kurzen Rundgang in den Gassen um unser
Hotel herum, genießen wir ein letztes Mittagessen in Indien und machen uns auf
den Weg zum Bahnhof.
Unser Zug hat insgesamt gut drei Stunden Verspätung. Wir
rechnen nach, ob wir unseren Flug am nächsten Morgen nach Bangkok verpassen
werden. Könnte knapp werden… Während wir am Bahngleis stehen und versuchen die
unzähligen Durchsagen zu verstehen, wundern wir uns schon gar nicht mehr über
die Kühe, die auch hier stehen. Die eine Kuh pisst mitten auf den Bahnsteig.
Was machen die Inder? Sie lachen und verpassen der Kuh einen Tritt. Und wir? Wir
freuen uns, dass wir morgen dieses Land verlassen.
AP